Auf der 15. Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft drehten sich unter dem Motto „Gesundheit neu denken“ viele Formate, Diskussionen und Podien um die Ökonomisierung der Medizin. Patienten haben ein Recht auf Behandlung zum Stand des aktuellen Wissens, also auch unter Einbezug von Innovationen – doch wer soll das bei steigender Nachfrage aufgrund der alternden Bevölkerung auf Dauer bezahlen?

Rund 700 Teilnehmer aus Gesundheitsversorgung, Top-Rängen der Politik und Wirtschaft tauschten sich im wunderschön gelegenen Kongresszentrum an der Hohen Düne, Rostock-Warnemünde, über die drängenden Herausforderungen in der Gesundheitsbranche aus. Auch dieser ästhetische Tagungsort trägt mit Sicherheit dazu bei, dass die Besucherzahlen seit Jahren so konstant sind. Wer arbeitet nicht gern inspirirert durch die Nähe zum Meer und Urlaubsstimmung?

In diesem Jahr wurde die bewährte Konferenz gleich um zwei neue Formate verstärkt, um vor allem junge und gründungswillige Unternehmer im Gesundheitsbereich in der Region zu fördern. Zum einen zog der NBK Ideensprint, organisiert von BioCon Valley GmbH und der Techniker Krankenkasse Studierende an, zum anderen das „Ship to Business“ austauschwillige Experten und Startups: Während einer dreistündigen Tour auf der Warne standen neben den wunderbaren Ausblicken das Networking und ein praktischer Ideenaustausch an mehreren Thementischen zu Telemedizin, Recht, Gründung etc. auf der Tagesordnung. Auch die Begleitung durch die ansässige Politik, wie Dr. Stefan Rudolph, vermittelte eine hohen Wertschätzung der jungen Akteure.

Der Staatssekretär vermittelte die positiven Entwicklungsperspektiven im Gesundheitsmarkt, die gesellschaftlich-soziale Bedeutung des Sektors, das Ende der Vollversorgungsmentalität und die somit wachsende (Zu)zahlungsbereitschaft der Bevölkerung sowie die Invetitionen in die 5G-Infrastruktur als Basis für IT-basierte Leistungen. So lassen sich beispielsweise Telemedizin-Lösungen hoffentlich bald implementieren.

Veranstaltet wurde die Tour auf dem Wasser von BioCon Valley GmbH zusammen mit der CORAK Innovation Management e. G., unterstützt von Rostock Business, der Gesellschaft für Wirtschafts- und Technologieförderung Rostock mbH.

Die zweitägige Konferenz wartete mit Keynotes, Diskussionsrunden und Foren, einer Ausstellung,und weiteren Highlights auf. Der MV-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, lagen insbesondere Fragen der Ökonomisierung am Herzen. Sie fragte, ob der Patient oder die Wirtschaftlichkeit der Behandlung im Vordergrund stünden. Sie hielt fest, dass die Gesundheitswirtschaft ein kräftiger Wachstumsmotor sei, und dass eine leistungsstarke Versorgung für alle Menschen in jedem Ort des Landes gesichert sein müsse. MV-Wirtschaftsminister Harry Glawe bestärkte Schwesigs Aussagen, indem er Unterstützung bei künftigen Herausforderungen ankündigte: Er wolle wichtige Themen wie Telemedizin und moderne Medizintechnik voranbringen, vor allem im ländlichen Raum.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ließ es sich nicht nehmen, in Warnemünde vorbeizuschauen. Er besuchte die Ausstellung und beantwortete nach seine Keynote einige drängende Fragen aus der Zuhörerschaft. Seine Aussagen zu den Qualitätsmessungen im stationären Krankenhausbereich, mit denen er nicht zufrieden sei, lassen auf Änderung hoffen.

Zu lange wurden diese Themen nur diskutiert; der jetzige Bundesgesundheitsminister sei immerhin ein Mann der schnellen Gesetze, urteilte Glawe. Niemand habe bisher in so kurzer Zeit so vieles auf den Weg gebracht. Spahn selbst verglich die Gesundheitskarte mit dem Berliner Flughafen, betonte den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Wirtschaft – und bestätigte, dass eine wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik in Teamarbeit mit Industrie und Forschung der richtige Weg sei. Mit Dialog und Kommunikation statt ständigem Debattieren und Kritisieren könne man vorankommen.

Doch auf der Veranstaltung wurde nicht nur geredet … auch aktive Gesundheitsprävention stand auf dem Programm: Neben einer entspannenden E-Bike-Tour durch Warnemünde und Markgrafenheide wurde morgendliches Strandjoggen angeboten – beides unter Begleitung des Olympiasiegers im Bahnradsport Stefan Nimke. Daneben wurden auch zahlreiche gesunde Snacks gereicht: Kekse mit Insektenprotein (vom Startup Nordwurm), veganes Eis; ausreichend Bewegung gab es aufgrund der Location, beispielsweise dank der vielen Treppen. Die Sportlerin Angelika Geelmann vermittelte anhand ihrer eigenen intensiven Erfahrungen ihre Motivation für Innovatoren in der Gesundheitsbranche: Nach einem tragischen Bergunfall und jahrelanger Rehabilitation zeigte sie, wie man mit dem Scheitern umgehen und trotzdem optimistisch bleiben kann.

Die Kurzpräsentationen aus Ideenwettbewerben und die Vorstellung diverser Startups, unter anderem in der Ausstellung, bewirkten eine gute Resonanz bei den Zuschauern, die sich am Gedankenaustausch rege beteiligten. Zu den neuen Akteuren in Warnemünde zählte Nipoka aus Greifswald: Das kurz vor der Gründung stehende Startup möchte die Diagnostik bei Nierenerkrankungen revolutionieren. Gründerin Prof. Dr. Nicole Endlich beschrieb ein neues Analyseverfahren, das die Veränderung von Podozyten (= Füßchenzellen) elektronenmikroskopisch sichtbar macht. So können Nierenfunktionsstörungen viel früher erkannt werden. die Dialyse lässt sich ggf. herauszögern oder sogar vermeiden. Mithilfe von künstlicher Intelligenz ermöglicht das Verfahren weitere Diagnosesicherheit.

 

Ein weiteres Beispiel zu den zahlreichen neuen Lösungen ist mycare2x. Die Open-Source-basierte Software bietet zum einen die Vorteile einer elektronischen Patientenakte und ermöglicht nun die Nutzung eines Sprachinterfaces. Mit Alexa können in Krankenhäusern, in Pflegeheimen und zuhause Patienten und Pflegebedürftige ihr Selbstmanagement etwa bei der Medikation einfach verbessern und absichern. Auch lässt sich die Belastung von Mitarbeitern und Angehörigen durch dieses System spürbar verringern, so der mycare2x-Macher Joachim Mollin.

Die Branchenkonferenz bot eine äußerst attraktive Plattform zur Diskussion neuer Ansätze. Die nächste Ausgabe findet im Mai 2020 erneut in Warnemünde statt – ob sie wohl in die Praxis umgesetzte Innovationen präsentieren wird?