Roland Berger sagt in einer Studie (Roland Berger Think Act: Digital and disrupted: All change for Healthcare) „Mobile and wireless Applications are driving the Health Market”. Der digitale Gesundheitsmarkt soll pro Jahr um 21 Prozent wachsen und 2020 ca. 206 Milliarden US-Dollar schwer sein. Zahlreiche Studien prognostizieren ebenfalls ein rasantes Marktwachstum. Auch in Deutschland tut sich einiges. Die Veränderungen sind in dem stark regulierten deutschen Gesundheitsmarkt zwar nicht leicht zu realisieren, aber sie finden statt.

Fortschritt bei der Online-Videosprechstunde

Bestes Beispiel ist die Online-Videosprechstunde. Steigende Gesundheitsausgaben, mit Ärzten unterversorgte ländliche Gebiete, eine immer älter werdende Gesellschaft und die Zunahme chronischer Krankheiten haben die Politik handeln lassen. Auf das Ende 2015 verabschiedete E-Health-Gesetz – ein Fahrplan zur Einführung digitaler Strukturen im Gesundheitswesen – sind Taten gefolgt: Seit 2017 ist die Online-Videosprechstunde in den kassenärztlichen Leistungskatalog aufgenommen – zwar mit Einschränkungen, aber dennoch als wichtiges Signal. Auch die Bundesärztekammer hat klargestellt, dass das im Ärzterecht verankerte „Fernbehandlungsverbot“ nicht grundsätzlich dem digitalen Arztbesuch entgegensteht. Und als erstes Bundesland wurde in Baden-Württemberg seitens der Ärzteschaft sogar vom Fernbehandlungsverbot Abstand genommen. Dort sollen künftig Fernbehandlungen in genehmigten Projekten umfänglich möglich sein. Das heißt, Menschen können mittels moderner Kommunikationsmittel mit Ärzten sprechen und sich auch behandeln lassen. Solche Behandlungen beinhalten auch Online-Rezepte. Bei einem Hautausschlag kann man beispielsweise einen Arzt online kontaktieren, um Rat fragen und sich ggf. auch eine Salbe verschreiben lassen. Warum das gut ist? Telemedizinische Behandlung ist nicht nur für den Patienten weniger kompliziert, sie spart auch Geld und ermöglicht es Menschen auf dem Land durch moderne Kommunikationsmittel, Fachärzte in Ballungszentren zu kontaktieren. Chroniker müssen nicht mehr wegen jedes Rezepts zum Arzt und lange im Wartezimmer sitzen. Das ist digitaler Fortschritt zum Wohle des Patienten und des Gesundheitssystems.

Online-Rezepte

Die Entwicklungen gehen in Deutschland bedächtig voran, aber es hat beachtliche Fortschritte gegeben. Schließlich möchte man nicht vom digitalen Fortschritt im europäischen Ausland überrollt werden. Dort bekommen Patienten in einigen Ländern schon seit längerem Rezepte online und können auch via virtuelle Sprechstunde mit Ärzten kommunizieren bzw. sich behandeln lassen. Vor dem Hintergrund der freien Arztwahl in Europa wäre es auf Dauer ein Wettbewerbsnachteil für inländische Ärzte, wenn diese ihren Patienten nicht auch diese effiziente Art des Arztbesuches bieten könnten. Leider gibt es auch einige rückwärtsgewandte Entwicklungen. Die jüngst verabschiedete Novelle des Arzneimittelgesetzes will es Apothekern verbieten, online-Rezepte einzulösen. Die Folge dürfte sein, dass deutsche Patienten diese dann über ausländische Online-Apotheken abwickeln. Ob sich die Digitalisierung des Gesundheitswesens mit solchen Gesetzen aufhalten lässt, ist zweifelhaft. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen.

Innovative Start-ups für ein digitales Gesundheitswesen

Innovationen im Bereich E-Health gehen derzeit vor allem von Start-ups aus. Von Akteuren wie Medexo über betterdoc bis hin zu Doctolib. Sie alle wollen die Barrieren zu guter medizinischer Behandlung abbauen, den Arztbesuch einfacher machen und das Gesundheitswesen digitaler und damit effizienter gestalten. Betterdoc erleichtert es Patienten, den richtigen Arzt zu finden und bietet unabhängige Zweitmeinungen an. Das Angebot richtet sich an Krankenkassen oder Arbeitgeber für deren Versicherte oder Mitarbeiter. Auf ärztliche Zweitmeinung spezialisiert ist Medexo, während Patientus sein Angebot vor allem an Ärzte richtet. Ihnen soll eine Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, damit sie die-Online Videosprechstunde anbieten können. Doctolib setzt dagegen auf die Onlinebuchung von Arztterminen. Die virtuelle Arztsprechstunde bietet das Portal derzeit nicht. TeleClinic hat dagegen einen sehr umfassenden digitalen Ansatz und positioniert sich als digitaler Gesundheits-Hub. Neben Online Videosprechstunden und Arztterminbuchung werden auch die digitale private Gesundheitsakte und sogar Gesundheits-Tracking durch Schnittstellen zu Wearables angeboten. Das Angebot von TeleClinic richtet sich an Patienten, Krankenversicherer und Arbeitgeber.

Erstattungsmöglichkeiten

Die Kosten für den digitalen Arztbesuch übernehmen bei Verlaufskontrollen alle gesetzlichen Krankenversicherungen. Im kassenärztlichen Leistungskatalog gibt es hierfür mittlerweile eine Abrechnungsziffer. Bei ärztlichen Leistungen, die darüber hinausgehen bzw. keine Verlaufskontrolle sind, haben gesetzlich Versicherte das Nachsehen. Private Krankenversicherungen hingegen bieten ihren Versicherten bereits umfassende digitale Arztsprechstunden als Versicherungsleistung an. So beispielsweise die Barmenia, die Concordia oder die ARAG. Diese spannenden Kooperationen bieten Start-ups und auch TeleClinic die Möglichkeit, ihr Angebot im ersten Gesundheitsmarkt kostenlos den Patienten zugänglich zu machen.

(Anm. der Redaktion: Laut Pressemeldung  vom 23. Oktober 2017 können baden-württembergische Ärzte ab jetzt Ihre Patienten im Rahmen der digitalen Videosprechstunde auch behandeln – bisher war die telemedizinische Fernbehandlung untersagt. Das Münchner Start-up TeleClinic hat nach eigenen Angaben als einziger telemedizinischer Anbieter die Genehmigung zur Fernbehandlung erhalten.)

Quelle: Katharina Jünger/Teleclinic