Eine Veranstaltungsreihe zum Schwerpunktthema „Digitalisierung – Fusion – KI in der Chirurgie“ zeigte Ende Januar einen Live-Stream aus dem OP der klinischen Anatomie in Tübingen. Sie bot anhand von Operationen am anatomischen Präparat den Teilnehmenden aus Medizintechnikunternehmen außergewöhnliche Einblicke in den Operationsaal von heute – und wie ihn sich die Operateure in Zukunft wünschen.

Anhand eines komplexen Tumorfalls in der Nähe des Sehnervs veranschaulichte Prof. Dr. med. Marcos Tatagiba, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgie der Universitätsklinik Tübingen, wie Operationen im Gehirn mit Hilfe von Roboter-Mikroskopen und 3D-Darstellungen des Schädels heute durchgeführt werden. Gemeinsam mit Gastgeber Prof. Dr. Bernhard Hirt, Ärztlicher Direktor des Instituts für Klinische Anatomie und Zellanalytik, und Prof. Dr.-Ing. Oliver Burgert, Dekan der Fakultät Informatik an der Hochschule Reutlingen, diskutierten die Spezialisten, wie den täglichen Herausforderungen im OP durch künstliche Intelligenz und Digitalisierung begegnet werden kann.

Die Teilnehmer der Veranstaltung, überwiegend Entwickler:innen aus Medizintechnikunternehmen, konnten am Bildschirm live erleben, wie sich das Roboter-Mikroskop durch Kopfbewegungen des Operateurs steuern lässt. Sie erfuhren aber auch, welche Funktionen noch fehlen: beispielsweise Temperatursensoren, die Nervenschädigungen durch Hitze bei Gefäßverödungen vermeiden oder eine Trackingfunktion, die ermöglicht, dass das Mikroskop direkt vom Instrument des Chirurgen gesteuert wird.

In Zeiten massiven Personalmangels stellt sich auch die Frage, welche Routineaufgaben im OP von Computern übernommen werden können, beispielsweise die Regelung von Licht oder die Dokumentation von Abläufen. Entwickelt werden bereits „intelligente“ Operationssäle, in denen Sensoren erkennen, welche Anforderungen beispielsweise an die Beleuchtung gestellt werden. Eine große Herausforderung ist die Mensch-Maschine-Schnittstelle und die Zusammenführung von Daten. Augmented-Reality-Brillen liefern den Chirurgen schon heute gleichzeitig die CT-Bilder des Patienten und die realitätsnahe 3D-Darstellung des Operationsfeldes. Aber die wichtigste Funktion ist, dass sich der gesamte Informationsfluss auch abschalten lassen muss, damit sich der Mediziner ausschließlich auf den Patienten vor ihm konzentrieren kann. Und bis dieser digital aus der Ferne operiert werden kann – quasi vom Homeoffice – wird es wohl noch eine Weile dauern.

Der nächste Termin dieser Reihe „Einschnitte ― Einblicke“ findet als mehrstündiger Workshop vor Ort statt: am 28. Juni 2023 im Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik in Tübingen. Er wird das Thema „Digitalisierung – Fusion – KI in der Chirurgie“ anhand von Operationen aus verschiedenen Fachrichtungen mit spannenden Einblicken weiter vertiefen.

Die Workshop-Reihe wird veranstaltet vom Interuniversitären Zentrum für Medizinische Technologien Stuttgart – Tübingen (IZST) der Universitäten Tübingen und Stuttgart, der BioRegio STERN Management GmbH und dem Verein zur Förderung der Biotechnologie und Medizintechnik e. V.