Die Europäische Kommission hat im Mai 2022 den europäischen Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space – EHDS) auf den Weg gebracht, der einer der zentralen Bausteine einer starken europäischen Gesundheitsunion werden soll. Der EHDS soll einen kohärenten, vertrauenswürdigen und effizienten Rahmen für die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, Politik und Regulierung innerhalb der Europäischen Union schaffen.

„Der Europäische Gesundheitsdatenraum bietet große Chancen für Forschung und Versorgung, da ein innereuropäischer Datenaustausch für eine bessere Gesundheitsversorgung und eine Nachnutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung möglich werden sollen“, führt Sebastian C. Semler, Geschäftsführer der TMF, zu Beginn der Veranstaltung aus. Der EHDS soll damit nicht nur die grenzüberschreitende Versorgung, sondern auch die Forschung und den Datenaustausch europaweit verbessern. „Wie genau das aussehen kann und wie die Anschlussstrukturen in Deutschland gestaltet werden sollten, darüber muss nun ein partizipativer Stakeholder Dialog geführt werden“, so Semler.

Der EHDS besteht im Wesentlichen aus zwei Säulen: der EHDS 1 regelt die Fragestellungen rund um die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger, der EHDS 2 regelt die Sekundärnutzung von Daten für Forschung und Innovation. Eine wichtige Anschlussstruktur stellt hier die elektronische Patientenakte (ePA) dar. „Bei der Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte im Kontext des EHDS muss der Beitrag, den sie für eine unmittelbare Verbesserung der Versorgung leisten kann, konsequent in den Mittelpunkt gestellt werden“, fordert Nino Mangiapane von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf dem Symposium. Dr. Martin Danner, BAG Selbsthilfe, plädierte in diesem Zusammenhang für einen größeren Alltagsnutzen der ePA. Gerade die Möglichkeit der direkten Terminbuchung sei eine ganz wichtige Funktionalität.

Nutzung der Daten für die Gesundheitsversorgung in Deutschland und Europa

Der EHDS soll einen echten Binnenmarkt für digitale Gesundheitsdienste und -produkte fördern. Dabei steht die Frage im Raum, was man realistisch von den Daten erwarten kann und welchen Nutzen der EHDS für die Gesundheitsversorgung haben wird. Pia Maier vom Medizintechnikhersteller Medtronic betonte, dass strukturierte Daten aus ganz Europa wünschenswert wären, um den Forschungsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Außerdem brauche es eine bessere gesellschaftliche Auseinandersetzung, wofür Gesundheitsdaten genutzt werden können, um dann zu einem gesellschaftlichen Konsens zu gelangen. „Wir müssen alle mitnehmen und gut darstellen, wofür Datennutzung sinnvoll ist“, so Maier.

Dennis Geisthardt vom bvitg unterstrich, dass Akzeptanz bei allen Stakeholdern ein ganz wesentlicher Faktor für den Erfolg des EHDS sei. „Wir müssen Mehrwerte besser quantifizieren und kommunizieren“, sagte Geisthardt. Aus der Perspektive der Tagesspiegel-Redakteurin Marie Zahout geht es erstmal vor allem um Aufklärung: „Welche Daten werden gesammelt, was passiert damit?“, stellte sie als Frage in den Raum. Marcel Weigand von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland sieht zunächst einmal große Vorteile und Chancen im EHDS. „Es ist gut, dass die Vorschläge der EU-Kommission Deutschland nun mächtig unter Druck setzen. Nach zwei Jahrzehnten erfolgloser Digitalisierungsversuche seitens sich gegenseitig blockierender Selbstverwaltung und abstruser Datenschutzvorgaben kommt nun Bewegung in die Digitalisierung der Gesundheitsdaten.“

Deutschland muss Anschlussfähigkeit herstellen

Wichtig sei jedoch, dass in Deutschland jetzt gehandelt und sichere, datenschutzkonforme Infrastrukturen entwickelt werden. Darin sind sich die Akteure aus Forschung, Versorgung, Industrie und Politik einig. „Die EU-Kommission hat mit der Verordnung zum EHDS einen mutigen Aufschlag gemacht. Nun haben wir einen hohen Veränderungsdruck, den EHDS auszugestalten“, sagte Stefan Höcherl von der gematik. „Wir müssen uns auf den Europäischen Gesundheitsdatenraum in Deutschland vorbereiten. Momentan sind wir weit entfernt davon, anschlussfähig zu sein. Insbesondere in den Bereichen Datenschutz, Patienteneinwilligungen, Datenverknüpfbarkeit und Akzeptanz gilt es nachzuziehen und gemeinsam mit allen Stakeholdern den nationalen Rahmen zu gestalten“, resümiert Semler.

Quelle: TMF