In einer kürzlich veröffentlichten klinischen Studie wurde eine neuartige VR-Therapie zur Behandlung kognitiver Defizite von Schlaganfallpatient:innen getestet: Kognitive Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit oder Problemlösen wurden mit einer VR-Brille und einer speziellen Software geübt. Insbesondere in den Bereichen Planung und Problemlösung wurden signifikante Verbesserungen festgestellt. Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf und die Behandlung wurde von den Patient:innen, Therapeut:innen und Ärzt:innen gut aufgenommen. Entwickelt wurde die Therapie von Living brain, einem Start-up aus Heidelberg. Wir haben mit dem jungen Unternehmen gesprochen.

Welche Motivation steht hinter eurer Lösung?

Unsere Gründung basiert auf der persönlichen Geschichte des Mitgründers Julian Specht. Er litt unter schwerer Epilepsie und nur eine Operation am Gehirn sollte ihm ein Leben frei von Anfällen ermöglichen. Häufige Nebenwirkungen dieser Operation sind kognitive Defizite, die Standardtherapie besteht aus Einheitslösungen und abstrakten Übungen. Julian hatte Glück, seine Operation verlief gut und er ist seither anfallsfrei und gesund. Doch nicht jede:r hat dieses Glück.
Mit diesem Hintergedanken gründeten Barbara Stegmann und Julian Specht während ihres Psychologiestudiums Living brain und begonnen mit der Entwicklung des ersten Produktes: Teora mind ist eine Softwareanwendung, die Menschen mit kognitiven Defiziten durch lebensnahes kognitives Training in Virtual Reality auf ihrem Weg zurück in den Alltag unterstützt. Kognitive Defizite können durch eine Vielzahl an neurologischen Erkrankungen wie Hirnblutungen, Schlaganfälle oder Demenz verursacht werden. Unsere langfristiges Mission ist es, diese Therapie vollständig zu personalisieren. Unsere Vision ist es, das Betroffene künftig Zugang zu effektiver Therapie erhalten, die so individuell ist, wie sie selbst.

Wie verlief die Umsetzung?

Um das kognitive Training mit teora mind so lebensnah wie möglich zu gestalten, setzen wir auf Virtual Reality, VR. Das Nutzen der VR-Technologie ermöglicht es uns, eine immersive Therapieumgebung zu schaffen. Anwender:innen haben den Eindruck, sich tatsächlich in der virtuellen Umgebung zu befinden. Diesen Effekt kombinieren wir mit alltagsnahen Szenarien und lernpsychologischen Strategien und erschaffen so lebensechte Alltagsszenarien, in denen beispielsweise der Kühlschrank sortiert oder Kaffee gekocht wird. So kann der Lerntransfer in den Alltag erleichtert und dadurch die Aussicht auf Trainingserfolg erheblich verbessert werden. Gleichzeitig können mögliche Gefahrenquellen eliminiert und eintönige, im Alltag schwer wiederholbare Tätigkeiten, spielerisch aufgearbeitet, wiederkehrend trainiert werden.
Zudem arbeiten wir gerade an einer digitalen Plattform, die es Behandelnden ermöglicht, ihre Patient:innen über die stationäre Nutzung hinaus im heimischen Umfeld zu begleiten.
Die notwendige Expertise in den Bereichen VR und Game Development steuert Till Ikemann bei. Er verstärkte das Gründungsteam bereits kurz nach der offiziellen Firmengründung als CTO.
Das Fundament für Teora mind bilden neueste Erkenntnisse psychologischer Lernstrategien und der Therapiewissenschaften. Die Entwicklung fand außerdem in enger Zusammenarbeit mit Betroffenen und Behandelnden statt, um ein möglichst effektives und anwenderfreundliches Produkt zu gestalten.
Darüber hinaus wurde Teora mind bereits in zwei Studien getestet. Eine User Experience Studie hat gezeigt, dass sowohl Schlaganfallpatient:innen als auch ältere Erwachsene gut mit unserer VR- Anwendung zurechtkommen. In einer klinischen Studie wurde zudem die Wirksamkeit mit der gängigen Standardtherapie verglichen. Die VR-Gruppe, die mit Teora mind trainierte, erzielte dabei signifikante Verbesserungen im Bereich der Exekutivfunktionen und schnitt deutlich besser ab als die Kontrollgruppe, die mit gängigen Behandlungsmethoden therapiert wurde.

Wie ist euer Geschäftsmodell und wo steht ihr bei der Umsetzung?

Teora mind wird aktuell über ein Lizenzmodell an medizinisches Fachpersonal wie Ergotherapeut:innen oder Neuropsycholog:innen herausgegeben und ist deutschlandweit bereits in einigen Rehabilitations-Kliniken verfügbar. Mittelfristig arbeiten wir daran, dass individuelle Behandlungseinheiten von Versicherungen erstattet werden. Dazu sind wir bereits mit einigen Versicherungen im Gespräch zu Selektivverträgen. Wir arbeiten außerdem an einigen Modellprojekten, um in die Regelversorgung aufgenommen zu werden.

Was seht ihr als euer USP?

Unser größtes Alleinstellungsmerkmal ist der Fokus auf den Alltag mit einer Art Activities of Daily Living. Im Gegensatz zu gängigen Therapiemethoden werden bei der Verwendung von Teora mind keine Labyrinthe gelöst, Punkte gezählt oder farbige Fische angeklickt. Vielmehr trainieren wir mit Betroffenen Situationen, die ihnen im Alltag begegnen und sie dabei unterstützen sollen, ihren Alltag so selbstbestimmt wie möglich gestalten zu können.
Zudem legen wir großen Wert auf wissenschaftliches Arbeiten und Qualitätssicherung: Wir sind Europas erster MDR-zertifizierter Anbieter von kognitivem Training in VR.
Mobile VR-Brillen und eine digitale Plattform ermöglichen zusätzlich ortsunabhängige Behandlungen über Kliniken sowie Praxen hinaus und zudem die künftige Personalisierung der Übungen.