Weltweit hält das Coronavirus Gesundheitssysteme und Volkswirtschaften weitgehend in seinem Bann. Krankenhäuser werden umstrukturiert, Rettungsschirme aufgespannt. Bei allem Leid, das Covid-19 über viele Menschen bringt, hat die Krise auch ihr Gutes. In Ländern wie Deutschland, das bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens trotz einer Reihe von Gesetzesinitiativen noch die rote Laterne trägt, inspiriert sie zur Innovation und treibt die Marktdurchsetzung voran – von der Videosprechstunde über die CovApp zur Selbsteinschätzung von Symptomen bis zu Diagnoseunterstützung und Tracing.
Saubere, normalisierte Daten bilden die Voraussetzung für die Entwicklung tragfähiger Lösungen in Medizin und Epidemiologie. In der EU soll nun eine Datenbank zur Coronavirus-Forschung ein Fundament schaffen: Gemeinsam mit Partnern hat die Europäische Kommission eine europäische Plattform für Daten zu COVID-19 ins Leben gerufen. Verfügbare Forschungsdaten sollen zentral gespeichert, ausgetauscht und analysiert werden – von Erkenntnissen aus der Genetik hin Informationen aus Biologie und klinischer Praxis. Als Teil des ERAvsCorona-Aktionsplans soll die Plattform ein „offenes, vertrauenswürdiges und skalierbares europäisches und globales Umfeld“ für den Austausch von DNA-Sequenzen, Proteinstrukturen, Daten aus vorklinischer Forschung und klinischen Studien sowie aus der Epidemiologie bieten. Sie entspricht den Grundsätzen in der Erklärung zum Datenaustausch in Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit.

Anwendungen für normalisierte, kuratierte Daten

Was tun mit den wertvollen Daten, die solche Plattformen und weitere Quellen verfügbar machen? Datenanalysen versprechen Vorteile bei der Erforschung therapeutischer Wirkstoffe und von Impfstoffen; sie sind nützlich bei Vorhersagen zur weiteren Ausbreitung des Virus und bei der organisatorischen Anpassung der Leistungserbringer an den aktuellen Bedarf. Und attraktive Potenziale für Mustererkennung und Deep Learning bietet auch ein Anwendungsgebiet, das in den letzten Jahren mit ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt war: die Unterstützung der bildgebenden Diagnostik.

Einer der starken Entwicklungstrends: Unterstützung der Diagnose

So arbeiten Stakeholder an akademischen Einrichtungen, in Startups und in Unternehmen daran, KI-Tools für diagnostische Einsatzszenarien im Kontext der Krise zu entwickeln und zu vermarkten. KI-Unterstützung von Röntgen und CT zielt auf die beschleunigte Erkennung einer Covid-19-Lungenerkrankung, effizienteren Einsatz von Ressourcen, Vermeidung von Infektionsrisiken bei Personal und anderen Patienten durch schnellere Isolation sowie rascheren Therapiestart. Wir sehen unter anderem Lösungen der Universität Jena, aus China (von Infervision und Alibaba Damo), aus Österreich (Deep Insights), den Niederlanden (Universität Delft), aus UK bzw. Indien (Qure.ai) und aus den USA (University of California San Diego Health mit Amazon Web Services (AWS). Modalitätenanbieter wie Philips statten ihr PACS mit KI aus – laut Herstellerauskunft ohne Bindung an die Geräte aus dem eigenen Haus. Transparent, interoperabel und anbieterunabhängig dank Open Source ist die Lösung Care4Covid.ai, die myCare2X und Epos speziell für Entwicklungsländer anbieten – denen eine Infektionswelle möglicherweise nun bevorsteht.

Hackathons zeigen enormes Engagement gegen Coivd-19

Das war ein Online-Hackathon der Superlative: Rund 30.000 Teilnehmer mit fast 2.000 Ideen, begleitet von ca. 3.000 Mentoren beeindruckten am 20. und 22. März #WirVsVirus mit Enthusiasmus und Kreativität. Unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzleramts-Chef Prof. Dr. Helge Braun steuern die sieben Organisatoren nun die Umsetzung unter anderem der 20 ausgezeichneten Projektideen. Der #WirvsVirus Matching Fonds, gemeinsam mit Startnext aufgesetzt, und eine Crowdfunding-Kampagne tragen zur Finanzierung solcher marktwirtschaftlicher Anti-Covid-Lösungen mit ihrer großen Bandbreite bei.
In Partnerschaft mit der Charité veranstalteten an Ostern das Berlin Institute of Health und die Data Natives Hacking Health Berlin einen internationalen Online-Hackathon zur Bündelung von Ideen gegen Covid-19. Unterstützung für Gesundheitsberufler, Optimierung für die Intensivmedizin, Tracing und digitale Epidemiologie sowie psychische Gesundheit zählten zu den Themengebieten.
Konzipiert vom Health Innovation Hub des BMG, der Universitätsmedizin Mainz, dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein dem Verband der Universitätsklinika findet am 18. Mai in Berlin der Healthcare Hackathon in Berlin statt. Zentrale Strategie und Koordination von Universitätskliniken für Apps und Datenerhebung – auf Basis von FHIR und SNOMED – und das Synchronisieren ähnlicher Ideen zu gemeinsamen App-Entwicklungen stehen hier im Mittelpunkt.

Hat uns fest im Griff: Coronavirus / Covid-19

Pexels / Nandhu Kumar: Covid-19 hält uns fest im Griff

Interoperabilität ist der Grundpfeiler, der die Entwicklung dieser datenbasierten Lösungen ermöglicht. Auch bei der Anwendung internationaler Standards in diesem Kontext hatte man sich in Deutschland lang schwergetan; in der Notsituation gelang es nun, kurzfristig den German Corona Consensus GECCO als Forschungsdatensatz zu Covid-19 realisieren – mit Akzeptanz der gesamten Universitätsmedizin. „Geht doch!“

Datenmodelle haben derzeit unter anderem die Zielsetzung, die Dynamik im Ausbruch vorherzusagen. Wann wohl der Zeitpunkt kommt, zu dem wir auf die Krise zurückblicken und die neuen Tools mit ihren versprochenen Benefits bewerten können? Auf jeden Fall bringt Covid-19 ganz außergewöhnliche Impulse für unsere Gesundheits-IT.