Hellomed ist ein neues Start-up im Digital-Health-Apotheken-Bereich. Wir haben mit einem der Gründer, Tim Bogdan, über seine Motivation und die patientenbezogene Lösung gesprochen. Dabei handelt es sich um ein Abonnement für chronisch Erkrankte, die alle vier Wochen Medikamente nach Hause geliefert bekommen.

Tim, was ist Dein Hintergrund?
Ich komme ursprünglich aus dem Company Building-Umfeld und habe mich seit einigen Jahren auf das Thema Digital Health und Pflege fokussiert und hier verschiedene Start-ups gegründet – unter anderem Mehrpflegegeld.de. Seit Ende 2022 bin ich nun einer der drei Mitgründer von hellomed.com und konzentriere mich hier voll und ganz auf die Verbesserung der Pflege aus Apothekenbrille.

Welche Motivation steht hinter eurem Start-up?
Mit hellomed möchten wir den deutschlandweit 20 Millionen chronisch kranken Patient:innen die tägliche Medikamenteneinnahme erleichtern und vor allem sicherer machen: mit Hilfe maschinell vorsortierter Tabletten, die direkt an die Haustür geliefert werden. Das Problem: Jeder vierte Deutsche ist mit dem täglichen Sortieren von mindestens drei Medikamenten konfrontiert. Das ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch sehr fehleranfällig. Die Konsequenzen: Jedes Jahr führen Medikationsfehler zu 250.000 Krankenhauseinweisungen und sogar 30.000 Toten, doppelt so viel wie es Verkehrstote n Europa gibt. Mit hellomed wollen wir dies ändern.

Wie habt Ihr die Lösung umgesetzt?

Wir bieten ein einfaches kostenloses Abonnement für chronisch kranke Patient:innen, bei dem wir uns um deren Medikation kümmern, diese prüfen und maschinell vorsortiert in Blisterboxen alle vier Wochen nach Hause senden. Dies funktioniert in drei Schritten: Als erstes registriert man sich auf unserer Webseite mittels eines kurzen Online-Fragebogens und reicht Rezepte sowie Medikationsplan ein. Unser Apothekerteam prüft im zweiten Schritt die Medikamente auf Wechselwirkungen und Doppelmedikation. Im letzten Schritt wird die Medikation maschinell vorsortiert, nochmals durch unsere Apotheker kontrolliert und in Form einer zeitgemäßen Blisterbox monatlich an die Haustür gesendet. Zusätzlich bieten wir den Betroffenen und Angehörigen noch eine Kompanion App. Diese ermöglicht es, rund um die Uhr online den digitalen Medikationsplan einzusehen, Folgerezepte und Medikamente zu verwalten, Erinnerungen zu erhalten und mit dem hellomed-Apothekerteam zu kommunizieren.

Wie ist euer Geschäftsmodell und wo steht Ihr bei der Umsetzung?

Wie bei einer herkömmlichen Apotheke rechnen wir die Rezepte bei der Krankenkasse ab. Weitere Umsatzkanäle sind der indikationsgetriebene Zusatzverkauf von nicht-verschreibungspflichtigen Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln, die wir ebenfalls verblistern. Ferner gibt es eine 90 Euro Pauschale, welche wir für die Medikationschecks mit den Krankenkassen abrechnen. Zukünftig planen wir eine SaaS-Gebühr für ambulante Pflegedienstleister, mit denen wir aktuell pilotieren, um deren Pflegekräfte bei der Medgabe und dem Rezeptmanagement zu entlasten. Nach unserem offiziellem Launch im Januar 2023 sind wir voll funktionsfähig operativ und dürfen bereits mehrere Hundert Patient:innen und erste Pflegedienste Monat für Monat versorgen.

Wie betrachtet ihr die Start-up-Dynamik im Apothekenmarkt und was ist bei euch anders?

Aktuell ist der 50 Milliarden Euro Markt für verschreibungspflichtige Medikamente noch zu 99 Prozent durch die klassischen Apotheken offline bedient. Lediglich 1 Prozent des Marktes fällt auf den Online-Umsatz durch die großen Player wie DocMorris, Shopapotheke etc. Zusätzlich gibt es seit wenigen Jahren einige Start-ups wie Mayd oder First A, die als Medikamentenlieferdienste die letzte Meile in der Meidkamentenversorgung angehen. Diese Akteure bauen auf die flächendeckende Einführung des eRezepts, die den Rezepteinlöseweg vereinfacht und somit das Online-Geschäft für verschreibungspflichtige Medikamente verstärken wird. Wir glauben, dass wir mit hellomed einen Use Case gefunden haben, mit dem wir einen hohen Kundennutzen erzielen, so dass unsere Kunden die Rezepte auch ohne eRezept bei uns einlösen. Das eRezept wird jedoch ohne Frage der Katalysator im Apothekenmarkt sein. Uns ist zudem wichtig, dass wir die aktuelle Apothekenlandschaft nicht torpedieren, sondern eher langfristig befähigen wollen. Somit ist es künftig denkbar, dass wir unsere Services für die Apotheken vor Ort öffnen und sie damit unterstützen, sich durch neue Services und eine bessere digitale Infrastruktur zu differenzieren. Bis dahin konzentrieren wir uns kurzfristig darauf, die Patient:innen gut zu versorgen und halten uns nicht mit dem erhitzten politischen Gerangel im Apothekenmarkt auf.

Wie sehen Sie den Apothekenmarkt in fünf Jahren?

Wir glauben, dass in fünf Jahren sicherlich der Onlineanteil der verschreibungspflichtigen Medikamente im höheren zweifachen Prozentbereich angekommen sein wird. Abseits davon sehen wir neue hybride pharmazeutische Versorgungsformen: klassische Apotheken, die neben Ihrem Vorort-Kerngeschäft pharmazeutische Dienstleistungen anbieten werden. Durch die Telematik gestützt könnten diese Medikationsberatungen anbieten, die Patient:innen aus der Ferne in Anspruch nehmen. Die wachsende Generation pflegender Angehöriger und Pflegebedürftiger macht es digital vor, nicht nur gezwungen durch den demografischen Wandel, sondern durch eine höhere digitale Offenheit. Der Fachkräftemangel kann nur durch digital gestützte Prozesse in der Medikamentenversorgung kompensiert werden. Insgesamt hat der Apothekenmarkt den Schritt in die digitale Welt gewagt und diesen als Chance für eine bessere Patientenversorgung erkannt.