Indien ist heute weit mehr als ein Outsourcing-Zentrum. Die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt gilt als der am schnellsten wachsende Tech-Hub und hat sich zum weltweit drittgrößten Start-up-Ökosystem entwickelt. German Accelerator nennt die wichtigsten Gründe, die für eine Expansion nach Indien sprechen.

Mit seinen Kulturschätzen und Naturschönheiten gilt Indien für Urlauber schon lange als Traumziel. Doch auch für deutsche Start-ups, die eine Expansion ins Ausland erwägen, hat sich der Subkontinent zu einem Top-Standort entwickelt. Gründe dafür gibt es zahlreiche. Die fünf wichtigsten hat German Accelerator zusammengestellt. Das Förderprogramm berät und begleitet die vielversprechendsten deutschen Start-ups bei der Expansion nach Asien, die USA und Südamerika.

Schnell wachsender Verbrauchermarkt
Während die Bevölkerungszahlen in Deutschland und Europa voraussichtlich stagnieren oder gar zurückgehen werden – und damit auch die Zahl der Konsumenten –, präsentiert Indien ein ganz anderes Bild: Die indische Zentralbank geht davon aus, dass die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt 2023 auch die am schnellsten wachsende sein wird. Dabei ist die Mittelschicht Indiens schon heute so groß wie die Mittelschicht der gesamten Europäischen Union. Zudem werden bis Ende des Jahrzehnts nach Schätzungen der Unternehmensberatung Bain & Company 140 Millionen weitere Haushalte in die Mittelschicht aufsteigen. Weitere 30 Millionen Haushalte werden der oberen Einkommensklasse angehören. Dies sind zwei vielversprechende Trends – für Start-ups wie für etablierte Unternehmen. Denn die Verbraucher werden sehr schnell erheblich mehr ausgeben – vor allem für Güter des täglichen Bedarfs, für Transport und Wohnen, sowie für Gesundheit, Bildung und Unterhaltung. Claus Karthe, CEO German Entrepreneurship Asia und Managing Partner German Accelerator Asia, unterstreicht: “Neben dem riesigen Potenzial hat Made in Germany bei indischen Verbrauchern und Unternehmen einen exzellenten Ruf. Diesen Markt darf man nicht ignorieren.”

Digital-First-Wirtschaft
Indien treibt die Digitalisierung stark voran, nicht zuletzt durch Initiativen wie Digital India. Das von der Regierung aufgelegte Programm fördert den Aufbau einer sicheren und stabilen digitalen Infrastruktur, die Bereitstellung von Online-Services der Behörden und die digitale Kompetenz der Bevölkerung. Unter anderem sollen die ländlichen Gebiete an das Hochgeschwindigkeitsinternet angebunden werden. Dass Indien auf einem guten Weg ist, zeigt sich an zwei Beispielen: Das Land ist inzwischen nach China der weltweit zweitgrößte Internetmarkt, und die Zahl der Internetnutzer wird voraussichtlich noch dieses Jahr auf eine Milliarde steigen.

Auch digitale Payment-Lösungen sind sehr gefragt. Indiens einzigartiges Echtzeitsystem für mobile Zahlungsabwicklung, das Unified Payments Interface (UPI), hat ein explosives Wachstum verzeichnet, selbst im ländlichen Raum. Im zweiten Quartal 2022 machten UPI-Person-to-Person-Zahlungen 49 Prozent aller digitalen Transaktionen aus, während Debitkarten nur auf 5 Prozent kamen und Kreditkarten auf 3 Prozent. Der rasante Anstieg der Internetnutzung und die zunehmende Digitalisierung des Landes eröffnen auch deutschen Startups große Chancen.

3. Hotspot für Technologie und Innovation
Praktisch alle deutschen High-Tech-Unternehmen haben ihr Forschungs- und Entwicklungszentrum in Indien, darunter Bosch und SAP. Viele davon sitzen in Bangalore, das für seine hohe Konzentration an Technologieunternehmen bekannt ist. Die Megacity wird bereits mit dem Silicon Valley verglichen. Dessen Erfolg lässt sich auf eine Vielzahl von Faktoren zurückführen, darunter den Zugang zu Risikokapital, ein günstiges regulatorisches Umfeld und eine hohe Innovationskultur. Bangalore hat inzwischen seine eigene Nische als aufstrebendes Technologiezentrum in Indien gefunden.

Schon seit den 1990er Jahren ist Indien ein globales IT-Zentrum, nun verlagert sich der Schwerpunkt hin zu digitalen Technologien wie Cloud Computing, künstliche Intelligenz (KI) und das Internet der Dinge (IoT). Die IT-Branche spielt für Indiens Wirtschaft eine wichtige Rolle: Sie trägt knapp 8 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und ist der größte private Arbeitgeber des Landes. Wenn es darum geht, Tech-Investitionen anzuziehen, steht der Subkontinent weltweit an dritter Stelle und ist dabei, sich zu einem der führenden Deep-Tech-Zentren Asiens zu entwickeln. Für Startups ergeben sich dadurch auf vielen Feldern spannende Kooperationsmöglichkeiten.

4. Qualifizierter Talentpool
In Indien starten jährlich 4,75 Millionen Menschen ins Erwerbsleben. Damit ist das Land eines der wenigen mit einem Überschuss an Talenten. Gerade die Fachkräfte sprechen gut Englisch und sind sehr gut ausgebildet. Grund dafür sind unter anderem erstklassige Bildungseinrichtungen wie die Indian Institutes of Technology (IITs) und die Indian Institutes of Management (IIMs). 73 Prozent der indischen Unicorns wurden von mindestens einem IITs-Absolventen gegründet. Was nicht heißt, dass alle Absolventen dieser Einrichtungen eigene Start-ups gründen wollen. Deutsche Start-ups finden in Indien auch Fachkräfte mit Berufserfahrung für die technische Produktentwicklung und für die Kundenbetreuung. Außerdem wird erwartet, dass die Zahl der kurzfristig verfügbaren Freiberufler, sogenannter Gigworker, bis 2030 auf 23,5 Millionen ansteigt, so der indische Think Tank NITI Aayog.

5. Umfassende Start-up-Förderung
Indien kann mehr als 82.000 Start-ups, darunter 108 Unicorns und 5 Decacorns vorweisen.
Auf die Frage, was Indien zum drittgrößten Start-up-Ökosystem der Welt gemacht habe, werden oft der starke Unternehmergeist, die offene Geschäftskultur und das ausgereifte Finanzsystem genannt. Doch auch die indische Regierung hat Wesentliches dazu beigetragen. Denn sie hat zahlreiche Strategien umgesetzt, um einheimische und ausländische Star-tups zu unterstützen und Anreize für internationale Investitionen zu schaffen. Die Initiative Start-up India zum Beispiel hilft Gründern bei vielen unternehmerischen Themen – von Marken- und Patentrecht bis hin zu Steuerfragen und staatlichen Ausschreibungen.

Im Rahmen von Start-up India hat die Regierung auch Finanzmittel für die Start-up-Förderung zur Verfügung gestellt: seit 2016 bereits 892,6 Millionen US-Dollar. Auf Indien fokussierte Venture Capital (VC) Fonds haben allein in der ersten Hälfte des Jahres 2022 ein Rekordkapital von 14,1 Milliarden US-Dollar aufgebracht. Neben VC-Fonds, Angel-Investoren und Corporate-Investoren zeigen auch Mikrofonds und Family Offices eine zunehmende Bereitschaft, direkt in Start-ups zu investieren. Besonders erfreulich: Aufgrund regulatorischer Änderungen der indischen Börsenaufsicht können deutsche Start-ups jetzt auch in den Genuss von Venture Capital kommen, wenn sie keine Präsenz oder Tochtergesellschaft vor Ort haben.

Fazit
Indien hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem echten Tech-Hub entwickelt und ist einer der vielversprechendsten Start-up-Märkte der Welt. Claus Karthe betont: „Indien ist für alle, die ihre globale Präsenz ausbauen wollen, ein ernstzunehmender, nicht zu übersehender Wachstumsmarkt. Seine kulturelle Vielfalt und der hochqualifizierte Talentpool bieten enorme Chancen mit Blick auf Ressourcen, Wissen und Wettbewerb. Natürlich gibt es Hindernisse zu überwinden, aber unser Team aus erfahrenen Mentoren und Experten kann die nötige Anleitung und Unterstützung bieten, um diese Herausforderungen zu meistern und Unternehmen helfen, auf dem indischen Markt erfolgreich zu sein.“

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