Wie können wertvolle Daten aus der medizinischen Forschung, der Klinik und der ambulanten Praxis klug kombiniert und so genutzt werden, dass sie den Patienten zugutekommen und Ärzte in ihrer Entscheidungsfindung systematisch unterstützen?
Dies war die zentrale Frage der vom Cluster InnovativeMedizin.NRW initiierten Konferenz SmartHealthData.NRW in Düsseldorf. 150 Gäste folgten den Expertenvorträgen und lieferten wertvolle Hinweise für die Ausgestaltung des gleichnamigen Whitepapers, das strategische Handlungsempfehlungen für die erfolgreiche Positionierung Nordrhein-Westfalens in diesem Zukunftsfeld formuliert.
Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, betonte in ihrem Grußwort die weitreichenden Auswirkungen von Big Data für die Medizin und verglich diese mit historischen Einschnitten wie der Entdeckung der Röntgenstrahlen und der Erfindung des Penicillins: Die intelligente Nutzung von Gesundheitsdaten ermögliche bislang unvorstellbare Einblicke in die Entstehung und den Verlauf von Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes oder Depressionen. Damit verbunden seien gänzlich neue Fragestellungen wie die nach verlässlichen IT-Infrastrukturen, nach Datensicherheit und Datensouveränität oder nach den
ethischen Grenzen automatisierter Systeme. Darauf gelte es valide Antworten zu finden, um das große Potenzial, das in SmartHealthData steckt, für personalisierte, den Patientenbedürfnissen angepasste Therapien ausschöpfen zu können.
Aus einer Analyse von Trends, Herausforderungen und Kompetenzen resultiert das gleichnamige Whitepaper, das Prof. Dr. Britta Böckmann, Medizininformatikerin an der Universität Duisburg-Essen/Fachhochschule Dortmund in einer Keynote präsentierte. Kernforderungen des Grundlagenpapiers betreffen den Aufbau einer Dateninfrastruktur, welche Forschung und Versorgung verknüpft, die dauerhafte Koordinierung einer abgestimmten E-Health-Strategie zwischen den Ministerien für Gesundheit, Wirtschaft und Wissenschaft sowie nachhaltige Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Nachwuchskräften in der Forschung und medizinischen
Anwendung.
Als größte Herausforderung bei der Errichtung von Architekturen, Regeln und Standards für flächendeckende SmartHealthData-Lösungen sieht Prof. Dr. Sylvia Thun, SITIG, eine Kommunikation ohne einheitliche Infrastruktur, Syntax und Semantik. Eine Lösung sei die Etablierung moderner IT-Standards wie FHIR und einer gemeinsamen IT-tauglichen Fachsprache wie SNOMED-CT. Internationale und europäische Kooperationen seien hier von hohem Nutzen insbesondere für Patienten, die in grenznahen Gebieten leben und Gesundheitssysteme unterschiedlicher Länder in Anspruch nehmen. Daher müsse Deutschland internationale Standards nutzen, statt eigene zu entwickeln und geeignete Rahmenbedingungen schaffen, etwa durch die gezielte Förderung von Projekten, die IT-Standards berücksichtigen.
Eine stärke Verankerung digitaler Inhalte in der Ausbildung von Medizinern forderte Jeyanthan Charles James, Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Neben digitalen Anwendungen undTelemedizin müssten auch rechtliche und ethische Aspekte angemessenen Niederschlag in den Curricula finden. Erste Leuchtturm-Projekte in der medizinischen Ausbildung gebe es aktuell an den Universitäten Aachen, Witten/Herdecke, Mainz und Bochum, notwendig sei jedoch ein bundesweites Konzept zur Vermittlung digitaler Kompetenz im Studium. Ausgangspunkt müsse stets der Patientennutzen sein. Die Rolle der Heilberufe werde durch die Digitalisierung grundlegend verändert, es gebe einen nicht zu leugnenden Wandel in der Arbeitskultur, den insbesondere die ärztliche Interessenvertretung annehmen und begleiten solle. Hier unser Interview mit Charles James: https://www.youtube.com/watch?v=Ph5MyD97y60&feature=youtu.be
Dr. Uwe Kremer, Cluster InnovativeMedizin.NRW, versicherte in seinem Ausblick, dass die Konferenz und das Whitepaper als Teil eines Prozesses zu verstehen seien. Im Rahmen dessen solle die zentrale Frage geklärt werden, was für eine zukunftsweisende SmartHealth Data-Strategie erforderlich sei. Als nächste Schritte seien der Aufbau einer landesweiten Netzwerkstruktur geplant sowie die Vertiefung verschiedener Agenda-Punkte, die in politische Prozesse und einen übergreifenden gesellschaftlichen Diskurs eingespeist werden sollten. Die zeitliche Perspektive betrage dabei fünf bis zehn Jahre.