Ausgezeichnete Ideen: neue Bildgebungsverfahren zur Krebsdiagnostik oder Nanopropeller für die okulare Gentherapie 

An der Sternwarte in Tübingen wurden zum 15. Mal ausgezeichnete Ideen von Wissenschaftlern und Gründern gewürdigt, die nach Meinung einer Expertenjury besonderes wirtschaftliches Potenzial haben. 

Platz 1 ging an Vicinity Bio, die ein hochdimensionales Bildgebungsverfahren für Krebsdiagnostik und Forschung entwickelt haben. Mit Hilfe innovativer Technologieplattformen (high-dimensional in-situ proteOMICs imaging), fachlicher Expertise und KI-gestützter Analyseprozesse identifiziert das Startup Biomarker für alternative Therapieoptionen (beispielsweise bei Tumor- oder inflammatorischen Erkrankungen). So können mehr als 150 Marker, mit subzellulärer Auflösung auf einem einzigen Gewebeschnitt (bspw. Biopsie), visualisiert werden und etwa die Komposition von Tumoren, die invasive Front und das angrenzende, nicht maligne Gewebe, hochdimensional darstellen. Das Unternehmen vervollständigt herkömmliche pathologische Untersuchungen und vereint die Fachgebiete Immunologie, Zellbiologie, Biochemie, Onkologie, Pathologie und Computerwissenschaften zu einer räumlich auflösenden Biologie. Ziel ist die Personalisierung von fundierten Therapieempfehlungen durch hochdimensionale und digitalisierte Krebsdiagnostik.

Platz 2 erhielt REVeyeVE für seine Steuer- und abbaubare Nanopropeller für die okulare Gentherapie (Universitäts-Augenklinik Tübingen): Das Einbringen von Gentherapeutika wie RNA oder DNA-Plasmiden ins Augengewebe stößt immer noch auf große Hürden. Die aktuellen Therapien in Klinik und Entwicklung basieren größtenteils auf viralen Vektoren. Neben Immunreaktionen ist die Effizienz häufig nicht ausreichend, oder es werden nicht die richtigen Zielzellen erreicht. REVeyeVE – ein Projekt aus der präklinischen Forschung – ist ein neuartiges virusfreies Gentherapievehikel, das Nanopropeller verwendet, die mithilfe von Magneten durch das Auge gesteuert werden und schließlich die Therapeutika an der richtigen Stelle der Netzhaut freisetzen. Dies bietet Menschen mit erblichen, bisher nicht behandelbaren Netzhauterkrankungen, eine potenzielle Behandlungsoption. Im Vergleich zu den aktuellen Therapien bieten die Nanopropeller den Vorteil, dass sie modifizierbar sind und eine hohe Flexibilität aufweisen: Neben verschiedenen RNA-Typen können auch große Gene transportiert werden. Die Transfektion mit den Nanopropellern zeigt eine hohe Effizienz, das heißt, das Einbringen von DNA und RNA ist erfolgreicher als mit anderen Methoden. Darüber hinaus sind die Nanopropeller abbaubar und besitzen eine hohe biologische Verträglichkeit.

Den dritten Platz teilen sich zwei Teams:

SteriDocs ist ein steriler Einfachkonnektor für das Labor (Fraunhofer IPA). Das Startup ermöglicht die Produktion innerhalb eines geschlossenen Systems, mit dem Vorteil, dass die Anforderungen an die Umgebung gesenkt werden können. Die Idee ist eine Verbindungvorrichtung und ein Verbrauchselement in Nadelform, das durch Hitze sterilisiert wird und dann in das Septum (Durchstichmembran) eines kleinen Fläschchens (Vial), eingestochen wird. Die Verbindungsvorrichtung liefert durch eine Induktionsspule oder ein Heizelement die erforderliche Energie zur Erhitzung einer steril teilummantelten leitfähigen Nadel, deren Öffnung im Moment des Einstechens zum Vial hin freigegeben wird. Sterile Verbindungsprozesse zu Vials sollen so in Reinraumanlagen mit niedriger Klassifizierung durchgeführt werden.

Virus neutralizer ist ein ACE2-M Fusionsprotein, das als Therapeutikum gegen SARS-CoV-2 eingesetzt werden kann. Das ACE2-M hat die Funktion eines „Virus Neutralizer“ und ist auch bei den verschiedenen SARS-CoV-2-Escape-Varianten wirksam. Das Projekt wird im Rahmen des beLAB2122 Partnerships gefördert, denn es bedarf wirksamer, antiviraler Reagenzien zur Bekämpfung bestehender und künftiger Virusinfektionen. Während der COVID-19-Pandemie wurden monoklonale Antikörper mit starker neutralisierender Wirkung entwickelt, von denen die meisten auf die rezeptorbindende Domäne (RBD) des viralen Spike-Proteins abzielen, das an den ACE2-Rezeptor auf den Zielzellen bindet. Mehrere dieser Reagenzien wurden für den Einsatz in den frühen Phasen der Infektion zugelassen. Ihre neutralisierende Wirkung hat aufgrund der Mutationen in den SARS-CoV-2-Varianten abgenommen. Im Gegensatz dazu hat das Spike-Protein der Omikron-Varianten seine Affinität für den ACE2-Rezeptor erhöht, was zu einer höheren Virus-Infektiosität führt. Das Team hat einen „Virus neutralizer“entwickelt, ein ACE2-Fc-Fusionsprotein mit der Bezeichnung ACE2-M, das alle SARS-CoV-2-Varianten neutralisieren kann. ACE2-M wurde so konzipiert und charakterisiert, dass es der viralen Immunevasion entgegenwirkt, was es besonders wirksam gegen neu auftretende Coronaviren im Rahmen der Pandemievorsorge macht.

Quelle Bild: KD Busch/BioRegio STERN