Wachsender Bedarf, steigende Anforderungen: Die Bedeutung der Pflege nimmt angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland weiter zu. Digitalisierung kann helfen, Engpässe bei Personal und Qualität ein Stück weit aufzufangen. Die digitale Unterstützung von Prozessen erfordert jedoch einheitliche Schnittstellen und gesetzliche Rahmenbedingungen. Dieser Artikel stellt Unternehmen vor, die bereits erfolgreich digitale Anwendungen in der Praxis etabliert haben.

Bei allen hier vorgestellten Anwendungen stehen Betroffene oder Angehörige im Mittelpunkt des Geschehens, unabhängig davon, ob die Anwendungen im ambulanten oder stationären Sektor eingesetzt werden. Nicht berücksichtigt ist die große Zahl an digitalen Services, die bereits in der professionellen Pflege zum Einsatz kommen.

Bei der Frage, ob sich digitale Lösungen in der Pflege grundsätzlich von Digital-Health-Anwendungen unterscheiden, kann man unterschiedliche Standpunkte vertreten. In einem Punkt allerdings herrscht Klarheit: Auch wenn es viele Gemeinsamkeiten gibt, sind die Rahmenbedingungen für die Pflege sowohl in rechtlicher als auch organisatorischer Hinsicht im Vergleich zu Gesundheitsbereichen wie beispielsweise der Prävention oder Rehabilitation andere.

Das Internet hat sowohl bei pflegenden Angehörigen als auch insgesamt in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert als Informationsquelle für den Themenbereich Pflege und Gesundheit. Informationsangebote von Krankenkassen besitzen insofern eine hohe Relevanz, als dass Krankenkassen bei Verbrauchern ein hohes Vertrauen genießen. Gleichzeitig zählen die Internetseiten von Kassen bei der Suche nach Gesundheitsinformationen zu den ersten Anlaufstellen. Sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Krankenkassen bzw. die Pflegekassen stellen im Internet Informationen über Pflegheime und Pflegedienste mit Preisinformationen zur Verfügung und erfüllen damit ihre gesetzlichen Pflichten. Eine übersichtliche Suche bietet beispielsweise der AOK Pflegenavigator[1].

Eine digitale Anwendung zur Stärkung der Gesundheitskompetenz für pflegende Angehörige ist beispielsweise curendo[2] vom Berliner Unternehmen Töchter & Söhne. curendo umfasst ein E-Learning-Angebot, in dem pflegende Angehörige und ehrenamtlich Pflegende Informationen, aber auch Beratung und Unterstützung rund um das Thema Pflege erhalten. Eine psychologische Online-Beratung finden pflegende Angehörige bei pflegen-und-leben.de. Die Beratung geschieht anonym per E-Mail oder Video-Chat.

Eine Vielzahl an – meist jungen – Unternehmen hat sich auf die Vermittlung von Pflege- und Betreuungskräften über das Internet spezialisiert. Einige der bekanntesten Unternehmen sind careship[3], curafides[4] und Pflegix[5], die alle von der stark wachsenden Zahl an Pflegebedürftigen profitieren. Denn Pflegebedürftige, die von Angehörigen zu Hause betreut werden, haben Anspruch auf vergütete Unterstützung bei der Pflege und im Haushalt.

Sehr hilfreich sind Dienste wie Dipat[1] oder auch Meine Patientenverfügung[2]. Hier können die Nutzer alle relevanten Vorsorgedokumente rechtssicher online erstellen und dauerhaft online hinterlegen.

Einen anderen Ansatz verfolgt Lindera[3]. Das Start-up hat einen Mobilitätstest zur Sturzvermeidung bei Senioren entwickelt.  Aus einer kurzen Videoaufnahme des gehenden Seniors und einem Fragebogen zum persönlichen Umfeld ermittelt ein Algorithmus von Lindera das individuelle Sturzrisiko und gibt Empfehlungen zur Sturzprävention.

Angesichts der ca. 3,3 Millionen pflegebedürftigen Leistungsempfängern, einer noch größeren Zahl an hilfsbedürftigen Menschen und der steigenden Anzahl älterer Menschen bietet die Digitalisierung auch für die Betroffene und Angehörige eine große Chance. Trotzdem haben nur wenige Unternehmen oder Organisationen digitale Services für diese Zielgruppen im Angebot. Die Chance, die informelle Pflege durch digitale Services zu stärken, wird noch viel zu wenig genutzt. Sowohl Versorger als auch Unternehmen sind gefordert, sich hier stärker zu engagieren.

[1] https://www.dipat.de

[2] https://meine-patientenverfügung.de

[3] https://lindera.de

[1] https://www.pflege-navigator.de

[2] https://www.curendo.de

[3] https://www.careship.de

[4] https://curafides.com

[5] https://www.pflegix.de

Handlungsempfehlungen

 

  • Innovationstransfer: Von erfolgreichen Versorgungsprojekten lernen
  • Die Bedürfnisse der Betroffenen und Angehörigen berücksichtigen
  • Das Internet als Chance für Information und Aufklärung betrachten
  • Effizienz und Transparenz schaffen
  • Schnittstellen bereitstellen und analoge Prozesse digitalisieren

Quelle: Dr. Florian Caspari