Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) begrüßt, dass das Bundesministerium für Gesundheit mit dem Referentenentwurf zum Digital-Gesetz (DigiG) die Digitalisierung im Gesundheitswesen konsequent vorantreibt und erkennbar an den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer ausrichtet. Gleichzeitig fordert die Fachgesellschaft, dass die erstmalige Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) mit Gesundheitsdaten durch Ärztinnen und Ärzte erfolgen muss, die umfassend mit der Krankengeschichte der jeweiligen Versicherten vertraut sind. Nur so ist gewährleistet, dass die digitale Akte alle versorgungsrelevanten Informationen enthält. Daneben sieht die DGIM noch Anpassungsbedarf bei den Regelungen zum elektronischen Medikationsplan (eMP), bei der Telemedizin, Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), Interoperabilität und Sicherstellung der Nutzung der Daten für die Forschung. Zu diesen Themen haben die DGIM-Expertinnen und -Experten Vorschläge erarbeitet und in einer Stellungnahme zusammengefasst.
Die ePA gilt als Kernstück der Digitalisierung des Gesundheitswesens, verspricht sie doch, alle relevanten medizinischen Informationen geordnet und digital zu sammeln und für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für die Betroffenen selbst einsehbar zu machen. Vorgesehen ist, dass auch Befunde vorangegangener Behandlungen in die ePA eingepflegt werden sollen (ex-tunc-Befüllung). „Gerade chronisch Erkrankte mit relevanten Vorerkrankungen profitieren erheblich davon, wenn aus der ePA klar hervorgeht, wie sich ihr Gesundheitszustand entwickelt und wie bisherige Behandlungen gewirkt haben“, begrüßt Professor Dr. med. Claus Vogelmeier, Vorsitzender der DGIM-Kommission Digitale Transformation in der Inneren Medizin und Sonderbeauftragter für Digitalisierung der DGIM, diese Regelung ausdrücklich.
Dabei sieht der Experte die Erstbefüllung der ePA klar als Aufgabe der Ärzteschaft. „Welche Informationen aus der Krankengeschichte einer Patientin oder eines Patienten für zukünftige Behandlungen relevant sind, können am besten Ärztinnen und Ärzte entscheiden, die sie schon lange kennen und häufiger behandelt haben“, sagt Vogelmeier und spricht sich damit gegen das im bisherigen Entwurf skizzierte Verfahren zur Erstbefüllung der Akte durch die Krankenkassen aus. Demnach sollen Patientinnen und Patienten ihnen vorliegende Befunde selbst an die Krankenkassen schicken, welche die Dokumente einscannen und in die ePA einstellen. „Diese Regelung lehnen wir, aber auch die Kassen selbst ab, denn wie sollen die Versicherten oder die Mitarbeitenden der Krankenkassen fachlich entscheiden können, welche Befunde versorgungsrelevant sind und welche nicht?“, sagt auch DGIM-Generalsekretär Professor Dr. med. Georg Ertl. Dieses Verfahren sehe er auch in Hinsicht auf den Datenschutz und die ärztliche Schweigepflicht kritisch.
Aktuell gibt es noch keine Vorgaben, welche Daten in welcher Form in die ePA zu überführen sind. „Langfristig brauchen wir für die Erstbefüllung fachliche und qualitätssichernde Vorgaben, die sicherstellen, dass tatsächlich versorgungsrelevante Informationen möglichst vollständig in der ePA enthalten sind und Behandelnde diese auch schnell abrufen können“, fordert Ertl daher. Der Internist regt an, diese Mindestvorgaben an die Vergütung zu koppeln und bestehende Vergütungsmechanismen so auszurichten, dass Ärztinnen und Ärzte einen Anreiz erhalten, die ePA ihren Patientinnen und Patienten aktiv anzubieten und diese für sie befüllen.
Dass die ePA über eine Opt-out-Lösung in die Breite der Versorgung gebracht werden soll, begrüßt die DGIM ebenfalls. So sei sichergestellt, dass Patientinnen und Patienten weiter die Hoheit über ihre Daten haben. „Um die höchstmögliche Qualität der Versorgung sicherzustellen, sollten etwa Hausärztinnen und Hausärzte von Beginn an ohne gesonderte Einwilligung möglichst weitreichende und zeitlich unbegrenzte Zugriffsrechte erhalten“, sagt Digital-Experte Vogelmeier. Falls Patientinnen und Patienten der Nutzung bestimmter Daten durch einzelne Behandelnde aktiv widersprechen, müssen sie umfassend darüber aufgeklärt werden, dass dies potenziell negative medizinische Folgen für sie haben kann. „Ärztinnen und Ärzten darf kein Schaden daraus erwachsen, wenn sie Patientinnen und Patienten nicht bestmöglich behandeln können, weil sie bestimmte ePA-Daten nicht einsehen durften,“ so der Marburger Internist.
In ihrer aktuellen Stellungnahme geht die DGIM außerdem auf die Themen Medikationsmanagement, Telemedizin und Digitale Gesundheitsanwendungen ein. Darüber hinaus legen die Expertinnen und Experten der Fachgesellschaft Standpunkte zur Interoperabilität medizinischer Daten, zur Nutzerfreundlichkeit informationstechnischer Systeme sowie zum geplanten Digitalbeirat vor. Wichtig ist der DGIM darüber hinaus, dass die Daten der medizinischen Forschung zur Verfügung stehen, um klinische Studien mit Daten aus der Routineversorgung ergänzen zu können.
Die vollständige Stellungnahme finden Sie hier: https://www.dgim.de/fileadmin/user_upload/PDF/Publikationen/Stellungnahmen/20230804_Stellungnahme_zum_Referentenentwurf_BMG.pdf