Wird das Jahr zum Wendepunkt für die digitale Krankenhausstrategie? Die eher langsame Digitalisierung der Branche erhielt Aufschwung durch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und benötigt mehr Umschwung: Ohne moderne IT-Strategie werden viele Krankenhäuser die Transformation nur mit hohen Zusatzbelastungen schaffen. Die Verantwortlichen stehen unter hohem Druck, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um wirtschaftlich zu bleiben und eine gute Versorgung sicherzustellen.
Startup-Mitgründer, Christian Albrecht, stellt fünf Trends vor, die darüber entscheiden könnten, ob und wie erfolgreich deutsche Kliniken die digitale Transformation schaffen werden:
1. Vernetzte und modulare IT-Landschaften werden notwendig
Das KHVVG fördert eine strukturelle Differenzierung im Krankenhauswesen in Form von Grundversorgern, Maximalversorgern, Spezialkliniken und regionalen Kooperationseinheiten. Dadurch entsteht ein konkreter Bedarf an flexiblen IT-Strukturen, die sich an unterschiedliche Versorgungsaufträge anpassen lassen. Monolithische IT-Systeme stoßen hier an ihre Grenzen. Stattdessen rücken modulare, interoperable Architekturen in den Fokus.
Sie ermöglichen Kliniken, Systeme gezielt zu kombinieren, Weiterentwicklungen schrittweise zu planen und Kooperationen digital abzubilden. Dabei ist entscheidend, dass sich Systeme wie ERP und Krankenhausinformationssysteme (KIS) verschiedener Anbieter über offene Schnittstellen sicher integrieren lassen, ohne dass neue Abhängigkeiten entstehen. Der Wandel hin zu offenen, modularen IT-Ökosystemen schafft nicht nur technologische Flexibilität, sondern unterstützt auch die strukturelle Transformation des Gesundheitswesens.
2. Neue Lösungen ≠ digitale Transformation
Aktuell investieren viele Krankenhäuser in neue Technologien. Beispiele hierfür sind die Einführung digitaler Dokumentation, Patientenportale oder KI-basierter Anwendungen. Doch diese Maßnahmen greifen oft zu kurz, wenn sie nicht mit einer strategischen Neuausrichtung der klinischen Prozesse einhergehen.
Digitale Systeme können ihr volles Potenzial nur entfalten, wenn sie Prozesse nicht einfach digital abbilden, sondern gezielt verbessern und standardisieren. Dabei geht es um mehr als nur technische Effizienz: Prozessklarheit schafft Transparenz, reduziert Reibungsverluste im Klinikalltag und entlastet das Personal. Kliniken, die über die reine Technologieeinführung hinausdenken, legen den Grundstein für eine nachhaltig tragfähige Transformation.
3. Risiko an digitaler Entfremdung steigt
Ein zentrales Risiko der Digitalisierung liegt darin, Anwender:innen – sowohl das medizinische Personal als auch die Patient:innen – nicht einzubinden. Systeme, die nicht am klinischen Alltag ausgerichtet sind oder ohne Beteiligung der Anwender:innen entwickelt wurden, stoßen in der Praxis häufig auf Ablehnung.
Der Erfolg digitaler Anwendungen hängt maßgeblich von ihrer Akzeptanz ab. Diese entsteht, wenn Systeme intuitiv bedienbar sind, reale Arbeitsprozesse abbilden und konkrete Mehrwerte bieten. Partizipative Entwicklung, frühzeitiges Testing mit Nutzergruppen und nutzerzentriertes Design sind daher keine Nebensächlichkeiten, sondern Voraussetzungen für die Wirksamkeit digitaler Lösungen im Klinikalltag.
4. Digitale Resilienz muss strategisches Ziel werden
Mit der zunehmenden Digitalisierung wächst auch die Angriffsfläche für kritische Infrastrukturen. Gleichzeitig zeigen geopolitische Spannungen, dass digitale Abhängigkeiten politische Risiken bergen können.
Für Krankenhäuser bedeutet das, dass IT-Sicherheit, Datenhoheit und Compliance 2026 nicht nur operative, sondern strategische Prioritäten sein werden. Cloudlösungen müssen höchsten Sicherheitsstandards, wie etwa der C5-Zertifizierung oder ISO-Normen, entsprechen und gleichzeitig europäische Datenschutzanforderungen erfüllen. Entscheidend wird es sein, digitale Resilienz ganzheitlich zu denken: technisch, organisatorisch und infrastrukturell.
5. Strukturierte Daten immer noch Mangelware
Daten gelten als zentrale Ressource der digitalen Gesundheitsversorgung – sei es für die klinische Entscheidungsunterstützung, die Versorgungsforschung, die Prozessoptimierung oder die Innovation. Doch vielerorts fehlen noch systematisch erhobene, strukturierte und interoperable Daten.
Oft wird versucht, diese Lücke durch nachgelagerte Strukturierung zu schließen. Das ist zwar besser als nichts, aber führt zu höheren Fehlerquoten und genügt nicht den Qualitätsstandards. Diese Verfahren können die strukturierte Erfassung am Point of Care nicht ersetzen.
2026 ist die Fähigkeit, mit qualitativ hochwertigen Daten zu arbeiten, ein Wettbewerbs- und Versorgungsvorteil. Die Grundlage sind standardisierte Datenmodelle, die sektoren- und systemübergreifend nutzbar sind. Der Aufbau solcher Datengrundlagen ist komplex, aber unverzichtbar.
Sein Fazit: Ein Jahr der digitalen Entscheidungen
Digitalisierung im Krankenhaus ist inzwischen eine Notwendigkeit. 2026 werden Krankenhäuser, die ihre IT-Strategie nur auf gesetzliche Anforderungen ausrichten, mit zunehmenden Belastungen konfrontiert sein. Eine zukunftsfähige Versorgung erfordert modulare IT-Strukturen, strategische Prozessveränderung, partizipative Entwicklung, digitale Resilienz und hochwertige Daten.
Die digitale Transformation gelingt dort, wo Technologie als Mittel zur strukturellen Verbesserung verstanden wird. Mit qualitativ hochwertigen Daten zu arbeiten, ist ein Wettbewerbs- und Versorgungsvorteil.
Quelle/Bild: Avelios