Es gibt viele Gesundheits-Apps, auch im Bereich Bluthochdruck, aber nicht alle sind gut. Bewertungsplattformen sind oft wenig konkret und transparent, werben mit externer Expertise, die aber nicht genauer definiert wird. Die Deutsche Hochdruckliga sieht es als originäre Aufgabe von medizinischen Fachgesellschaften an, den betroffenen Patienten Orientierung zu bieten und zertifiziert seit November 2019 Blutdruck-Apps. „Einzig medizinische Fachgesellschaften sind die Kompetenzstelle für das jeweilige Fachgebiet und arbeiten verlässlich evidenzbasiert.“

Gesundheitsapps sind auf dem Vormarsch. Schätzungen zufolge gibt es international etwa 100.000 bis 200.000 Apps, die sich mit Gesundheit und Fitness befassen [1, 2]. Sucht man heute bei „Google Play“ unter dem Stichwort „Blutdruck“ nach Apps, erhält man 243 deutschsprachige Angebote – vom elektronischen Blutdrucktagebuch über Fitness-Apps oder Apps, die einen an die regelmäßige Medikamenteneinnahme erinnern.

Das Angebot ist breit – aber ist es auch gut?
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Apps (bis auf sogenannte Medical Apps – siehe Hintergrundinfo am Ende dieser Meldung) keine Gesundheitsprodukte sind, die Zulassungskriterien unterliegen. Das heißt, die Apps können von sehr unterschiedlicher Qualität sein, was gerade im Bereich der Medizin problematisch ist. Wer überprüft, ob die Apps den neuesten medizinischen Erkanntnissen entsprechen, also leitlinienkonforme Informationen liefern – und auch entsprechend gepflegt und aktualisiert werden? Im Moment gibt es verschiedene unabhängig Institutionen, die Qualitätskriterien erarbeiten und Apps testen, viele von ihnen legen dabei den Fokus auf Datensicherheit. Das „Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem“ (afgis e.V.) hat ein Gesundheits-App Fact Sheet [3] erarbeitet mit Basisangaben, die Produzenten von Gesundheits-Apps bereitstellen sollten, – ein Appell an die Hersteller, aber kein „Muss“.

So existieren Info- und Bewertungsplattformen, die explizit darauf verweisen, dass sie externe Expertise für Interessenten anbieten, die eine Gesundheits- und/oder Medizin-App entwickeln möchten. Doch wie schaut die „externe Expertise“ in der Praxis wirklich aus? Eine Liste der Experten ist bei vielen Anbietern zumindest online nicht einsehbar.

Medizinische Fachgesellschaften stehen in der Verantwortung
„Wir sehen die inhaltliche Beurteilung von elektronischen Gesundheitshelfern in der Verantwortung der medizinischen Fachgesellschaften und nicht bei einzelnen Akteuren und Experten“, erklärt Professor Dr. Bernhard Krämer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Einzig medizinische Fachgesellschaften sind die Kompetenzstelle für das jeweilige Fachgebiet, sie erarbeiten Leitlinien bzw. evaluieren internationale Leitlinien und sorgen dafür, dass aktuelle Erkenntnisse die Ärzte- und Patientenschaft erreichen. Sie sind hochspezialisiert und werden von mehreren Experten geleitet. Sie arbeiten evidenzbasiert, sind unabhängig und objektiv. Wer kann verlässlichere Informationen bieten als sie?“ Prof. Krämer glaubt, dass die Zertifizierung von Gesundheitsapps daher in das Portfolio medizinischer Fachgesellschaften gehört. „Wir müssen uns dieser Verantwortung stellen.“

DHL-Prüfsiegel nun auch für Blutdruck-Apps
Seit November 2019 zertifiziert die Deutsche Hochdruckliga Apps zum Thema Blutdruck/Blutdrucksenkung. Geprüft werden Sicherheit, Leitlinienkonformität, Nutzerfreundlichkeit und Transparenz. Die qualitative Bewertung erfolgt durch Experten der Hochdruckliga und durch Betroffene.
Inhaltlich wird geprüft auf:
– Neutralität und Fachlichkeit
– Evidenz und Leitlinienkonformität
– Ausgewogenheit
– Aktualität
– Fehlerkultur des Anbieters
Des Weiteren werden Benutzerfreundlichkeit, Praktikabilität, Datenschutz, Datensicherheit und Transparenz beurteilt.

Erarbeitet wurde zudem eine Liste an 22 „KO-Kriterien“. Wenn auch nur gegen eine verstoßen wird, erfolgt keine Zertifizierung. Dazu zählen z.B. eher „technische Kriterien“ wie ein fehlendes Impressum oder die fehlende Transparenz im Hinblick auf die Finanzierung, aber auch inhaltliche wie die Nicht-Berücksichtigung von Leitlinien oder die Benennung von Experten, die bei der Entwicklung der App eingebunden waren, die die Deutsche Hochdruckliga aber nicht als ausreichend qualifizierte Bluthochdruckexperten einstuft.

„Immer mehr Menschen nutzen Apps zur Unterstützung der Bluthochdrucktherapie. Auf dem Markt sind verschiedene Anbieter, doch nicht alle bieten valide Informationen und leitlinienkonforme Applikationen. Um unseren Patienten die bestmögliche Orientierung zu bieten, haben wir uns entschlossen, die Angebote zu zertifizieren und prüfen die Apps auf Antrag der Hersteller“, erklärt Prof. Krämer.

[1] https://www.aerzteblatt.de/archiv/180500/Gesundheits-Apps-Viele-Chancen-wenig-Ev…;
[2] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/56443/Afgis-raet-zur-Vorsicht-bei-Gesundh…
[3] https://www.afgis.de/standards/gesundheits-app-fact-sheet

Hintergrundinfo: Medical App/Quelle: BFARM
https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Abgrenzung/MedicalApps/_node.html
„Im Gegensatz zur reinen Wissensbereitstellung z. B. in einem papiergebundenen oder elektronischen Buch (kein Medizinprodukt) deutet jegliche Form der Einflussnahme auf Daten bzw. Informationen durch die Standalone-Software auf eine Einstufung als Medizinprodukt hin.“

Eine App wird als Medizinprodukt eingestuft, wenn sie bei der Wahl zwischen therapeutischen Maßnahmen unterstützt, Medikamentendosierungen berechnet, die Therapie eines Patienten überwacht und dadurch die Diagnose oder Therapie beeinflusst.

„Reine Datenspeicherung, Archivierung, verlustfreie Kompression, Kommunikation oder einfache Suche führen nicht zu einer Einstufung als Medizinprodukt.“

Quelle Text: Deutsche Hochdruckliga