Tinnitracks-Gründer Jörg Land

Tinnitracks-CEO Jörg Land (XING-Profil) wurde kürzlich als Superstar der deutschen eHealth-Szene betitelt. Wie er Tinnitus durch das Hören der eigenen Lieblingsmusik behandeln will und welche Hürden er dazu meistern musste, erzählt er im Interview mit Healthcare Startups Deutschland:

Jörg, eine Tinnitus-Therapie mit der Lieblingsmusik des Patienten – wie geht das?

„Tinnitracks ist für Betroffene mit tonalem, chronischem Tinnitus geeignet. Zuerst wird die persönliche Tinnitus-Tonfrequenz mit einem Hörtest durch Experten wie den HNO-Arzt oder Hör-Akustiker ermittelt. Kennt man den störenden Ton, kann man im nächsten Schritt aus Musikstücken nach Wahl genau diese festgelegte individuelle Ton-Frequenz herausfiltern. Möglich ist dies, weil die Nervenzellen im Hörzentrum ihrer Frequenz nach angeordnet sind, vergleichbar der Tastatur eines Klaviers: An einem Ende liegen die tiefen Töne, am anderen die hohen. Die durch das Herausfiltern entstehende Lücke in der Klaviatur der Töne wird mit einem stillen Ton belegt. Bildlich gesprochen: Wird die Klaviertaste angeschlagen, passiert also das Gegenteil: Stille, statt den Hörnerv zu reizen. In der Fachwelt heißt dies hörbare Kerbe (notch). Bei regelmäßigem Hören werden die für den lästigen Ton verantwortlichen überaktiven Nervenzellen im Hörzentrum gehemmt, der Ton wird als leiser empfunden. Wir empfehlen über vier Monate mindestens 90 Minuten täglich die gefilterte Musik zu hören. Entscheidend ist für uns die Meßgenauigkeit, die wir mit Tinnitracks sicherstellen können. Der Filterprozess arbeitet äußerst präzise. Geeignete Musik wird korrekt gefiltert und ungeeignete verlässlich aussortiert. Außerdem kooperieren wir mit Sennheiser auf deren Kopfhörer wie Tinnitracks ausgerichtet haben, weil sie eine besonders genaue Tonwiedergabe ermöglichen.

Ganz wichtig ist hier auch die Abgrenzung zu ähnlich wirkenden Ansätzen. Wir legen aus gutem Grund sehr großen Wert auf die richtigen Kopfhörer, die Prüfung der Eignung der Musik und verändern auch nicht die validierten Parameter. Die TK hat ja vor kurzem auch einen Kriterienkatalog veröffentlicht wie man seriöse Anbieter digitaler Gesundheitslösungen identifizieren kann. Wer diese Kriterien einmal anwendet, wird sehen warum Tinnitracks so gut aufgestellt ist.“

Tinnitracks-App

Was waren rückblickend die größten Hürden auf dem Weg zum fertigen Produkt?

„Für Gründer im Technologieumfeld gleicht die Anfangsphase eigentlich immer einem Hürdenlauf. Mit unserem Erfahrungshintergrund waren und sind wir jedoch gut aufgestellt. In der Anfangsphase war vor allem die Zertifizierung als Medizinprodukt eine neue Erfahrung für uns. Die langen Entscheidungszyklen im Gesundheitsmarkt sind für Technologieanbieter ebenfalls sehr gewöhnungsbedürftig.

Ich bin sehr froh, dass wir alle Herausforderungen gemeistert haben und sehr viele Partner in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik von uns überzeugt sind und uns unterstützen. Das mittlerweile sehr große und internationale Netzwerk wird uns sicherlich auch in Zukunft sehr hilfreich sein.“

Habt ihr für euer Startup einen Businessplan geschrieben? Warum (nicht)?

„Wir gehen immer geplant vor. Am Anfang haben wir uns aber auf das Produkt und die mögliche Umsetzung einer digitalen Innovation im Medizinmarkt fokussiert. Je weiter wir uns dann entwickelt haben und je größer der Finanzierungsbedarf wurde, desto stringenter haben wir unsere Unternehmung geplant – nur so kann man wirklich Verantwortung übernehmen.“

Als Healthcare Startup in Deutschland: Welche Skills sollte man unbedingt mitbringen, um bestehen zu können?

„Hartnäckigkeit, Geduld und Zuverlässigkeit. Innovationen im deutschen Gesundheitsmarkt müssen zahlreiche Hürden überwinden. Um erfolgreich zu sein, muss man hartnäckig und geduldig seine Ziele verfolgen.“

Bisher konnten Tinnitus-Patienten häufig nur auf die Psychotherapie als Behandlungsoption zurückgreifen. Das ist mit einer gewissen Hemmschwelle verbunden. Macht es Tinnitracks den Patienten leichter?

„Wir bekommen häufig die Rückmeldung, dass Tinnitracks denkbar einfach zu nutzen ist und praktisch keine Hürden wie zum Beispiel Stigmatisierungsangst zu überwinden seien. Das liegt sicherlich daran, dass wir mit dem Musikhören bestehende Verhaltensmuster aufgreifen, eine Stigmatisierung durch die Nutzung der vorhandenen Hardware vermeiden und so die Grundlage für hohe Therapietreue schaffen. Wir freuen uns, Tinnitus-Betroffenen eine Behandlungsoption anzubieten, die durch diese Merkmale schnell angenommen wird und eine unkomplizierte Versorgung ermöglichen. Wir betonen aber, dass Tinnitracks auch im Kontext anderer Therapieoptionen zu sehen ist und in Kombination mit weiteren Therapieansätzen Anwendung finden kann.“

Ihr seid ein Healthcare-Startup, das sehr viel Aufmerksamkeit erzeugt. Ihr habt etliche internationale Auszeichnungen und auch renommierte Partner. Wie erreicht man das?

„Ich glaube, dass dahinter eine Kombination aus verschiedenen Faktoren steckt. Wir bewegen uns mit der Audiologie in einem sehr interessanten Markt, sind ein zertifiziertes Medizinprodukt, bieten den Zugang zu einer Behandlung, die auf klinischen Studien beruht, haben ein großes Netzwerk an HNO-Ärzten und Hörgeräteakustikern – in ihren Bereichen höchst anerkannte Partner –, haben uns gegen alle Widerstände durchgesetzt und arbeiten mit Musik – einem sehr emotionales Medium. Jeder findet an uns einen anderen Aspekt spannend. Wir freuen uns über jedes einzelne Feedback, das uns in unserer Arbeit bestätigt.“

Was passiert mit Tinnitracks in den nächsten zwölf Monaten, was in den nächsten fünf Jahren?

„Wir arbeiten derzeit an der Internationalisierung von Tinnitracks. Unsere Entwickler sind außerdem dabei, weitere Funktionalitäten und audiologische Produkte zu schaffen, zu denen ich derzeit leider noch nichts Genaues sagen kann, die uns aber sicherlich noch etwas beschäftigen werden.

Fünf Jahre sind da schon ein längerer Zeitraum: Sonormed wird in fünf Jahren mit digitaler Audiologie und Produkten wie Tinnitracks weltweit am Markt erfolgreich sein. Die anstehenden Veränderungen im Markt für Hören werden uns dabei sehr geholfen haben.“

Was ist eure nächste große Challenge? Und wer könnte euch dabei helfen, sie zu bewältigen?

„Große Herausforderungen werden die Internationalisierung von Tinnitracks und weitere audiologische Produkte sein. Wir sind aber gut aufgestellt und haben die entsprechenden Partner für die nächsten Schritte. Dabei sind das Timing und die richtige Ressourcenwahl kritische Erfolgsfaktoren. Grundsätzlich wäre es wünschenswert, wenn sich der Prozess zur Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen früher konkretisieren ließe, da dann auch das Angebot früh entsprechend angepasst werden könnte. Mehr Offenheit gegenüber Neuerungen würde allen Beteiligten helfen und die Gefahr verringern, dass die hier entwickelten Technologien aufgrund der schnellen Adaption in anderen Ländern angeboten und weiterentwickelt werden.“

Welche drei Gründe kannst du nennen, warum man Tinnitracks unbedingt im Blick behalten sollte?

„Zum einen die Internationalisierung – wir wollen zeigen, dass German Medical Engineering ein europäisches Erfolgsmodell ist. Zum anderen die Umbrüche im Audiologiemarkt: Die alten Strukturen können mit den heutigen Entwicklungen nur schwer Schritthalten. Deshalb ist es spannend, wie sich etablierte Marktteilnehmer verhalten und wer sie herausfordert. Und schließlich: Tinnitracks hat noch nicht die letzte Entwicklungsstufe erreicht – wir entwickeln weiter.“

Vielen Dank für deine Antworten!

Im Video erklärt Tinnitracks, wie die Tinnitus-Therapie per App funktioniert:


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